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Lernphase

Integrieren

Diese Phase ist das Stiefkind der Methodik. Gegenüber dem Erstgeborenen (Erarbeiten) und den nachgeborenen Zwillingen (Einsteigen und Auswerten) wird sie sträflich vernachlässigt. Ihr fehlt die Gewichtigkeit der zentralen Phase und die Attraktivität der einführenden und der beschließenden Phase. Dabei ist sie für einen vollständig organisierten Lernprozess nach dem Erarbeiten der zweitwichtigste Abschnitt. Auf das Essen folgt das Verdauen – und das braucht Zeit. Was zuvor erarbeitet worden ist, hat noch den Charakter der Fremdheit. Es bleibt noch äußerlich entsprechend dem Grundprinzip des Erarbeitens: Auseinandersetzen. Nun muss das Erarbeitete zu eigen gemacht, verinnerlicht werden. Es wird zum neuen Teil der psychischen Struktur der TN und findet dort in, neben, mit alten Teilen oder statt alter Teile seinen festen Platz: Das „Neue“ ist mit dem „Alten“ verwachsen. Die Grundprinzipien des Integrierens sind: Aneignen und Festhalten. Werden im Erarbeiten sozusagen alte Dateien geladen und dann gelöscht, bearbeitet oder umbenannt und neue Dateien angelegt, so werden im Integrieren alte in neue und neue in alte Dateien kopiert und die zusammengefügten Dateien gesichert. Doch bitte auch Vorsicht vor solchen „eingängigen“ Analogien.

1. Momente

Mehr noch als in der Phase des Erarbeitens ist in der Phase des Integrierens eine Ermöglichungs- und keine Vermittlungspädagogik gefragt. Hier können nur die Bedingungen geschaffen werden, dass sich eine Aneignung vollzieht. Die TN haben das „Neue“ erarbeitet und bearbeitet, d.h. voll und ganz kennen gelernt. Jetzt ist es an ihnen, ob sie es sich zu eigen machen, sich „einverleiben“ wollen. Haben Sie als Kursleiter schon in der Erarbeitungsphase nur begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten, so gehen diese in der Integrationsphase gegen Null. Integration ist nicht machbar. Noch eines vorweg: Die Momente, die wir hier vorstellen, müssen im jeweiligen Prozess nicht immer alle auftreten.

Aneignen

Festhalten

2. Didaktisch-methodische Hinweise

Das zum Erwerb eines Könnens wichtige Üben ist nicht nur bloßes Einüben. Es liegt in der Natur echten Übens, dass es nicht mit einem guten Können endet, sondern Verbesserung und ein „Immer-besser-können-Wollen“ bedeutet. Es geht um Kunst(-fertigkeit). Das Üben strebt, zu Ende gedacht, Vollkommenheit bzw. Meisterschaft an. Üben heißt vervollkommnen. Otto Friedrich Bollnow mahnt in seinem überaus empfehlenswerten Büchlein „Vom Geist des Übens“ an die „Rückbesinnung auf elementare didaktische Erfahrungen“ und fordert eine „Rehabilitierung der Übung“. Leider lassen die Rahmenbedingungen der organisierten Weiterbildung in der Regel wenig Zeit und Raum für die elementare didaktische Erfahrung des Übens. Umso wichtiger ist es für den Erwerb eines Könnens, schon während der Veranstaltung auf den entscheidenden Stellenwert der Übung hinzuweisen und zum Üben zwischen den einzelnen Terminen (bei Intervallveranstaltungen) und/oder nach der Veranstaltung (bei allen Arten von Veranstaltungen) zu ermuntern. Vielleicht ist es möglich, für diese Zeiten und Räume außerhalb der Veranstaltung aus dieser heraus „Übungsgruppen in Eigenregie“ zu bilden.

Integration braucht häufig erst eine gewisse „Inkubationszeit“. „Es sind häufig insbesondere die abgebrochenen, die nicht abgerundeten Lernerfahrungen, die im Gedächtnis haften bleiben und dadurch verzögert fruchtbar werden“ (Geißler 2005b). Eine entsprechende Idee ist, nach einer gewissen Zeit Materialien oder einen Fragebogen an die TN zu schicken, um noch einmal mit Abstand über Ergebnisse der Veranstaltung und die Bedeutung im Alltag nachzudenken (ähnliches Prinzip: a href="aktionsform-briefanmichselbst.html">Brief an mich selbst).

Auf das Integrieren von neu Gelerntem folgt dessen Anwendung in der Praxis. Ob dies gelingt, hängt von vielen Faktoren ab. Im Rahmen einer Lehrveranstaltung können Sie den Lerntransfer nie sicherstellen, wohl aber anbahnen.

 

Literaturhinweise: Bollnow 1991; Geißler 2005b; Grell/Grell 2010; Kaiser 1989; Meyer 2007; Papenkort 2002

Dr. Balkes rät: „,Integrieren‘ kommt von ,integer‘, was im Lateinischen ,makellos, ganz‘ bedeutet. ,Integrare‘ heißt ,wiederherstellen’. Glauben Sie um Gottes willen nicht, Sie könnten auch nur bei einem TN irgendeine Ganzheit wieder- oder erstmals herstellen. Zur Professionalität gehört Bescheidenheit oder das Wissen um die Grenzen. Integrieren Sie, aber bitte nicht perfekt!“

Autor: Ulrich Papenkort