Aktionsform
Fallbesprechung
Infobox
Lernziel |
Kopf, Herz |
Konkretisierung |
sprachlich, bildhaft
|
Aktivierung |
erarbeitend |
Sozialform |
Gruppenarbeit, Plenum |
Lernphase |
Erarbeiten, Integrieren |
Material/ Medien |
Fallbeispiel, Flipchart, Tafel oder Pinnwand |
Verwandte |
Aquarium, Horrorszenario, Kollegiale Beratung, Maßnahmenplan, Rollenspiel, Rundgespräch |
Teilnehmerzahl |
bis 25 |
Zeit |
30 – 90 Min. |
Die Fallbesprechung ist eine Gruppenarbeit, bei der die TN wirklichkeitsnahe, konfliktgeladene Fallbeispiele (z.B. „Ärger mit dem Vorgesetzten“) oder tatsächliche eigene „Fälle“ (z.B. „Ein schwieriger Patient“) nach bestimmten Schritten und Gesprächsregeln beraten.
1. Einsatzmöglichkeiten
- um nach Phasen der Vermittlung das Gelernte an einem Fallbeispiel zu erproben
- zur Aktivierung der Zuhörer (Selbsttätigkeit)
- um Kreativität anzuregen und gemeinsam neue Lösungsmöglichkeiten zu finden
- um strukturierte Kommunikation als Mittel zu erkennen, Probleme im beruflichen Alltag zu bewältigen
2. So wird’s gemacht
- Erarbeiten Sie die Kommunikationsregeln und die Phasen der Fallbesprechung (z.B. über Audio-Lehrgang Schmalzriedt/Prochazka o.J.) (Regeln s. „Didaktisch-methodische Hinweise“).
- Bilden Sie Kleingruppen (etwa 5-7 Personen je Gruppe) und lassen Sie einen Gesprächsleiter wählen.
- Eine wirklichkeitsnahe Konfliktsituation wird vorgestellt (z.B. schriftliche Falldarstellung, Tonbildschau oder etwa Video) oder ein „ungelöster Fall“ von den TN eingebracht.
- In der Kleingruppe wird der Fall bearbeitet; Alternative: Die Kleingruppe berät stellvertretend vor dem Plenum (Aquarium). Ansonsten lassen Sie die Kleingruppenarbeit im Plenum auswerten.
3. Didaktisch-methodische Hinweise
Die Fallbesprechung ist eine universale Methode, um in Gruppen organisatorische oder beruflich-persönliche Probleme Schritt für Schritt anzugehen. Das bedeutet nicht immer, dass in Fallbesprechungen eine “Lösung“ gefunden wird. (Ob Ideen zu Lösungen werden, entscheidet sich sowieso erst in der Praxis.) Manchmal ist für direkt Betroffene bereits die Besprechung selbst die Lösung: Das Problem wird durch die gewonnenen anderen Sichtweisen klarer und kleiner oder der persönliche Druck findet durch das befreiende Gespräch ein Ventil. Oder es wird deutlich, dass im Moment trotz gemeinsamer Anstrengung kein gangbarer Weg sichtbar wird und die Situation ausgehalten werden muss. Auch diese Klarheit kann erleichternd sein. Eventuell lassen Sie einen neuen Anlauf vereinbaren.
Wichtig für das Gelingen einer Fallbesprechung ist es, fünf Phasen mit ihren jeweiligen Regeln deutlich zu unterscheiden.
Phasen und Regeln der Fallbesprechung
- (1) Problembeschreibung und Problemanalyse: Die TN erkunden über Fragen und Aktives Zuhören die objektiven Vorgänge und subjektiven Empfindungen. Probleme sind zunächst verwirrt wie ein verknotetes Knäuel. Es gilt erst die einzelnen Fäden zu entdecken und vermeintliche von tatsächlichen Problemen zu trennen. Regeln: Noch keine Vorschläge machen! Möglichst offene Fragen stellen. Leitfragen: „Welche Teilprobleme gibt es evtl.? Wie schwer wiegen die einzelnen Probleme? Was ist die ’Geschichte’ des Problems? Welche Informationen fehlen? Welche Vermutungen über Zusammenhänge oder Ursachen gibt es? (Eventuell sichtbar auflisten!)“. Abschlussfragen: „Fühlen sich alle ausreichend informiert? Sind noch Fragen offen?“
- (2) Ziel definieren: Das Problem wird in ein positives Ziel gewendet. Leitfragen: „Was ist das Hauptproblem? Scheint es uns lösbar?“. Regel: Damit es klar und “handlich“ wird, formulieren Sie das Problem zunächst in ein Grobziel und dann in eine methodische “Wie-Frage“ um (z.B. Problem: mangelnder Kontakt zwischen …; Ziel: Kontakt verbessern; Wie-Frage: „Wie können wir den Kontakt zwischen … verbessern?“). Die Zieldefinition und die Wie-Frage verhindern, dass die weiteren Schritte nicht ins Leere gehen. Abschlussfrage: „Sind alle einverstanden, dass sich alle auf dieses Problem konzentrieren?“
- (3) Vorschläge sammeln („Grün-Phase“): „Was fällt uns zur Frage ein?“. Regeln: Jeder Vorschlag wird sichtbar notiert. Keine positive oder negative Bewertung, damit keine Ideen “getötet“ werden! (Brainstorming). Diese Phase ist bei organisatorischen Problemen meist sehr effektiv, bei komplexeren Beziehungsproblemen möglicherweise weniger. Hier ist die Phase (1) wichtiger. Evtl. haben sich schon bei der Problemanalyse ein oder zwei Ansätze herauskristallisiert. Abschlussfrage: „Sind alle Ideen gesammelt?“
- (4) Vorschläge bewerten („Rot-Phase“) und Entschluss: Abwägen von Pro und Contra jedes Vorschlages. Regel: Die letzte Entscheidung liegt bei denen, die sie tragen müssen. Leitfragen: „Was ist warum brauchbar? Was ist leistbar? Welche Folgen haben die einzelnen Lösungen? Ist die Fragestellung wirklich geklärt?“ (Gefahr: Scheinlösungen). Abschlussfragen: „Welche Lösungen sollen konkret geplant werden? Wird der Entschluss von allen getragen?“
- (5) Konkrete Planung einer Maßnahme: Ein Vorschlag wird detailliert geplant. Leitfragen: „Welche Schritte? Wer übernimmt was? Offene Fragen? Welche Hilfe brauchen wir? Bis wann soll was erreicht sein? Was wäre ein Erfolg? Welche Alternativen gibt es? Was tun bei einem Scheitern?“. Abschlussfrage: „Wann treffen wir uns wieder zur Auswertung?“ Bei realen Problemen wird in einer folgenden Fallbesprechung über den praktischen Verlauf berichtet. Ein Misserfolg kann zum Ausgangspunkt einer neuen Fallbesprechung werden. Leitfragen: „Ist es überhaupt ein Misserfolg? Wenn ja: Warum ist die Maßnahme gescheitert?“
Teilnehmerinstruktion für die GesprächsleitungAufgaben und Regeln für die Gesprächsleitung:
- Die Gesprächsleitung ist der „Pfadfinder“: Achten Sie darauf, dass die Phasen klar werden und bleiben. Regeln: Folgen Sie den Leitfragen. Der Weg ist allerdings selten so geradlinig wie im Schema. Deshalb kommentieren Sie immer wieder, in welcher Phase die Gruppe sich gerade befindet (z.B. „Wir sind jetzt gerade noch einmal zurückgesprungen …“). Klären Sie, ob das jeweilige Etappenziel erreicht ist (z.B. „Sind noch Fragen offen?“). Führen Sie zur nächsten Phase. Gehen sie evtl. noch einmal zurück, wenn sich herausstellt, dass noch nicht alle folgen können (z.B. wegen fehlender Informationen).
- Die Gesprächsleitung ist der „Schiedsrichter“: Achten Sie darauf, dass die Regeln in der jeweiligen Phase klar sind und eingehalten werden. Regeln: Behalten Sie Thema und TN im Auge (TZI/Themenzentrierte Interaktion). Versuchen Sie, möglichst alle Mitglieder miteinzubeziehen, Schweiger anzusprechen, Dauerredner zu stoppen (z.B. „Was meinen Sie dazu?“, „Sie wirken gerade nachdenklich …“, „Ich glaube, ich verstehe Sie, aber wollen wir nicht erst diesen Punkt besprechen?“). Stellen Sie Verbindlichkeit her (z.B. „Können wir festlegen, wer was übernimmt …“, „Wir haben Folgendes vereinbart …“).
4. Vorteile/Chancen – Nachteile/Probleme
Vorteile/Chancen:
- lässt gelerntes Wissen über Ursachen am Beispiel üben (Transfersicherung)
- erprobt universale Schritte, um Probleme anzugehen
- fördert Fähigkeiten zur Teamarbeit
Nachteile/Probleme:
- erfordert gewisse Disziplin, um die Schritte einzuhalten
- bei fiktiven Fallbeispielen Gefahr von Pseudolösungen, weil sie sich nicht in der Praxis bewähren müssen
Literaturhinweise: Dierichs/Helmes/Schrader/Straub 1998; Gehm 2006; Knoll 2007, 1997; Meyer 2009; Schmalzriedt/Prochazka o.J.
Autor: Martin Alsheimer