Medium/Material Special
Symbolisieren
Symbolisieren bedeutet Geistig-Seelisches sinnlich wahrnehmbar zu vermitteln (sichtbar, hörbar, fühlbar, riechbar, schmeckbar).
1. Einsatzmöglichkeiten
2. So wird’s gemacht
- Überlegen Sie bitte: Welche Qualitäten kommen dem Geistig-Seelischen nahe, das Sie ausdrücken wollen? Was macht es vielleicht sichtbar, hörbar, fühlbar, riechbar, schmeckbar? (z.B. bekannte Symbolisierungen für Gemeinschaft: Kreisform, Singen, äußere Nähe, besonderer Duft im Raum, Essen teilen). Welche Symbolisierungen sind Ihnen selbst besonders in Erinnerung geblieben? Sie können nun Symbole assoziativ in Ihrem „Fundus“ entdecken (Brainstorming) oder sich inspirieren lassen von Sammlungen (z.B. Clip-Art-Sammlungen).
- Prüfen Sie: Welche Bedeutungen könnten von den TN mit den gefundenen Symbolen noch verbunden werden? Können diese Bedeutungen evtl. stören? In welchen anderen Kontexten wird das Symbol noch verwendet? Ist es vielleicht dadurch belastet oder gefärbt?
- Sie können TN auch selbst symbolisieren lassen (z.B. „Welche Geste passt gerade zu Ihrer Stimmung?“, „Suchen Sie beim Spaziergang ein Symbol, das für Sie persönlich mit dem Thema zu tun hat…“).
3. Didaktisch-methodische Hinweise
Symbolon (griech.) bedeutet ursprünglich das „Erkennungszeichen“. Zwei Freunde, die sich für längere Zeit oder für immer trennen, zerbrechen ein Tontäfelchen, einen Ring o.Ä. Wer später die passende Hälfte vorzeigen konnte, genoss in der Familie Gastfreundschaft. Dieser ethymologische Hintergrund macht die Kraft von Symbolen deutlich: Es verbindet Wahrnehmbares (hier: Zusammenfügen) mit einer geistig-seelischen Realität (hier: Freundschaft).
Funktionen von Symbolisieren in der Erwachsenenbildung
- Symbolisieren macht etwas anschaulich-konkret. In unserem Methoden-Verständnis schafft Symbolisieren einen wichtigen „Zugang zur Welt“ neben der abstrahierenden Sprache und dem unmittelbaren Erleben (z.B. in einer Exkursion). Symbole sind einerseits sinnlicher als die oft blasse Sprache und andererseits konzentrierter als die fragmentarische „unmittelbare Erfahrung“ (s. Kap. 5, Methoden und Medien). Gerade weil wir alle auch „bildhaft“ denken, bleiben gute symbolische Gestaltungen in Erinnerung. Beispiel: Nach einer Vorstellungsrunde erinnern sich die TN kaum noch an die einzelnen Erzählungen. Was „hängen bleibt“, sind die typischen Handbewegungen, mit denen sich die TN vorgestellt haben, und die Lautmalerei ihrer Namen. Beispiel: Der SL möchte den TN unterschiedliche Umgangsweisen mit Lerninhalten verdeutlichen. Er zeigt es an Hand eines Apfels, den er auspackt. „Man kann die Frucht lediglich anschauen; man kann sie zerlegen und untersuchen; man kann sich den Apfel auch einverleiben.“ Spricht’s, zeigt’s und isst den Apfel.
- Symbolisieren hilft, Sinn zu entdecken. Symbole sind nicht einfach nur Abbilder, sondern hintergründige Sinnbilder. In der EB wird Symbolisieren oft mit Visualisierung durch Zeichen (z.B. Piktogramme) gleichgesetzt. Symbole leisten aber mehr! Im Unterschied zu eindeutig festgelegten Zeichen sind Symbole nie restlos sprachlich übersetzbar und ausdeutbar. Sie reizen zu Deutungen und erlauben, immer wieder neue Sichtweisen zu entdecken. Symbole schöpfen im Unbewussten. Gute Symbole können wie große Gefäße sein, in denen geistig-seelisch Fragmentiertes, Widersprüchliches oder Ambivalentes (einerseits – anderseits) zusammengebracht werden können zu einem neuen Ganzen. Sie haben integrierende Kraft, weil sie vieldeutig sind.
Beispiel: Ein TN hat als Sinnbild für seine jetzige Lebenssituation einen blattlosen Baum gewählt und war zunächst erschüttert über sein Symbol, das seine Empfindungen und Einzelerlebnisse (Fragmentiertes) für ihn so klar in ein Bild zusammengesetzt hat. In einer weiteren Ausdeutung gewinnt der TN für sich einen weiteren Sinn: „Totenstarre und Winterpause – Der Baum vor dem Frühling“ (Ambivalenz). Das gegenwärtige Lebensgefühl und die Hoffnung sind so in einer Gestalt (Baum) ausgedrückt und verknüpft worden.
- Symbolisieren entlastet. „Symbole sprechen für sich“ (Lipp/Will 2008). Symbole helfen SL und TN, Noch-nicht-Fassbares, schwer Formulierbares oder Unsagbares auszudrücken. Sie sind unaufdringlicher und dezenter und sie schützen vor dem „Zerreden“ und vor der oft zu schnellen Eindeutigkeit der Sprache. Sie wirken auch stellvertretend. Ein Blumenstrauß im Seminarraum heißt die TN willkommen, auch ohne, dass die SL anwesend sind. Besonders hilfreich ist Symbolisieren in den emotional oft schwierigen Phasen Einsteigen und „Abschied“ (s. Auswerten).
Beispiel: Der Abschied aus einem erfahrungsorientierten Seminar, bei dem viel Persönliches zwischen den TN ausgetauscht wurde, sollte bewusst lärmig oder verlegen-flüchtig sein. Der SL bittet die TN, im Raum herum zu gehen und als symbolischen Dank sich jeweils voreinander kurz zu verbeugen.
Beispiele für Symbolisieren in der Erwachsenenbildung
Grundsätzlich: Alles kann symbolisch aufgeladen werden. Symbole können dabei eher privat und subjektiv kreiert werden und nur für die Beteiligten bedeutsam sein (z.B. ein Lied wird zum „Seminarhit“) eher konventionalisiert (z.B. Blumenstrauß als Willkommensgruß). Die folgenden Beispiele aus unserer Seminarpraxis sollen Sie anregen. Die Bedeutungen und Wirkungen der Symbolisierungen sind im Folgenden nur an- und nicht ausdeutbar (s.o.).
- Netz: Sicherheit, Verbundenheit (Ambivalenz: Kontrolle, Gefangenheit). Beispiel: In einer Vorstellungsrunde verknüpfen sich die TN durch das Erzählen. Sie geben dabei ein Wollknäuel weiter und spannen so Fäden zwischen sich. Der innere Vorgang des langsamen Vertrautwerdens wird durch den weitergegebenen Wollknäuel und das schließlich entstandene Netz auch äußerlich sichtbar.
- Korn/Pflanzensamen: Fruchtbarkeit, langsames Reifen usw. Beispiel: In einem Ritual zum Abschied bei einem Selbsterfahrungsseminar kann sich jeder TN Körner oder ihm unbekannte Pflanzensamen aus einer Schüssel nehmen. Die Fragen, die damit verbunden sind: „Was nehme ich an Erkenntnissen mit? Was hoffe ich, dass bei mir reift?“. Es symbolisiert: Bildungsprozesse sind langsam, überraschend und nicht erzwingbar.
- Etwas verbrennen: Reinigung, Verwandlung usw. Beispiel: Die TN schreiben etwas, das sie belastet, auf ein Stück Papier. Die Zettel werden in einer Schüssel feierlich verbrannt; die Asche „in alle Winde zerstreut“.
- Weg/Wanderung: neue Entdeckungen, Entscheidungen usw. Die SL charakterisieren ein mehrtägiges Seminar als „eine Art Wanderung“. Die Symbolik des Weges und der Wanderung wird immer wieder aufgenommen und neu gefüllt. Sie dient als Leitmetapher für das Seminar: Ein Rucksack mit Teilnehmerunterlagen enthält „Wegzehrung“, die Pausen werden zur „Rast“. Ein wiederholter Schreittanz lässt die TN auch äußerlich die Bewegung spüren usw. Das Seminar kann durch diese Symbolik als sehr individueller Prozess erfahren werden. Wie auf einer Reise können TN sehr unterschiedliche Erlebnisse haben: Anstrengungen und Aussichten.
- Gemeinsames Anstoßen und Trinken: besonderer Augenblick, Beginn von etwas Neuem usw. Beispiel: Am Ende des ersten Tages eines Lehrgangs stoßen SL und TN auf die künftige gemeinsame (Bildungs-)Zeit an. Statt des üblichen Sektes gibt es einen exotischen Fruchtcocktail, ein symbolischer Vorgeschmack auf das Neue. Natürlich hätte man die Wünsche für den Lehrgang nur sprachlich mitteilen können. Die symbolische Handlung spricht emotionaler an: Es geht los! Alles Gute!
- Klänge: Individualität, Leichtigkeit usw. Beispiel: Die TN spielen in einer Vorstellungsrunde auf pentatonisch gestimmten und damit immer wohlklingenden Klangstäben eine eigene Melodie. Damit können momentane Stimmungen (laut, leise, wild, bedächtig usw.), aber auch Charaktereigenschaften hörbar werden.
- Insel/Schwemmland/Meer: Sicherheit/Übergang/Möglichkeiten usw. Beispiel: Die TN kleben sich mit grünen Kärtchen jeweils eine „Insel“ auf Pinnwand-Papier, auf denen Sie Ihre Erkenntnisse festgehalten hatten. Die angrenzende „Schwemmzone“, mit weißen Kärtchen markiert, bilden die Erkenntnisse, die noch gesichert werden müssen. Ins Meer der Möglichkeiten legen die TN auf roten Kärtchen ihre Vorhaben und Wünsche (Idee: Geißler 2005b).
- Steine: Schweres, Hartes, Weg usw. Beispiel: Ein Rundgespräch über berufliche Belastungen. Die TN wählen sich aus einer Sammlung unterschiedlichster Steine denjenigen aus, der ihre Situation in Form, Farbe, Gewicht sichtbar und fühlbar macht.
Unsere Anregung: Legen Sie sich eine Sammlung „symbolträchtiger“ Materialien und Fundstücke an: Steine, Wurzeln, Stofftiere, Kerzen, Spielzeug, Muscheln, Bilder. Sie werden vielleicht überrascht sein, wie gut und gerne TN auf Symbolisieren als mediales Prinzip ansprechen. „Wir sind als Menschen eben nicht nur erkennende, sondern vor allem symbolfähige Wesen.“ (Cassirer, zit. nach Wirtz/Zöbeli 1997)
4. Vorteile/Chancen – Nachteile/Probleme
Vorteile/Chancen:
- tiefe integrierende Kraft
- erleichtert, über Geistig-Seelisches anschaulich zu sprechen (oder auch zu schweigen)
- konkretisierend sinnlich
Nachteile/Probleme:
- missverständlich
- evtl. mit anderen eutungen belastet
- Hineininterpretieren gegen die Deutung des TN
- Abwehr von TN
Literaturhinweise: Geißler 2005b; Lander/Zohner *1992, *1997, *1998; Lurker 1991; Rahm/Otte/Bosse/Ruhe-Hollenbach 1999; Weidenmann *2011; Wirtz/Zöbeli 1997
* Sammlungen mit Beispielen
Dr. Balkes rät: „‚Die Symbolsprache ist die einzige Sprache, die jeder lernen sollte’ (Fromm).“
Autor: Martin Alsheimer