Aktionsform
Erzählen
Der SL stellt einzelne, reale oder fiktive Handlungen in einen zeitlichen, sinnvollen Zusammenhang und verleiht ihnen dadurch eine Bedeutung (s. Teilnehmergeschichte). Das Erzählen ist im Unterschied zum eher objektiven, sachlichen, knappen und präzisen, trockenen Berichten, das nur reale Ereignisse darstellt, eher subjektiv, emotional, ausführlich und fesselnd.
1. Einsatzmöglichkeiten
- um Inhalte einer Veranstaltung vorzustellen
- um Zusammenhänge aufzuzeigen
- zur Verknüpfung allgemeiner Wissenselemente mit konkreten Handlungssituationen
- zur Festigung oder Dokumentation von Wissensbeständen
- zum glaubwürdigen Umgang mit Einstellungen und Wertungen
- um die Vorstellungskraft zu schulen
2. So wird’s gemacht
Geschichten erzählen
- Wenn Sie eine Geschichte erzählen wollen, die Sie gehört oder erlebt haben, denken und fühlen Sie sich im Vorfeld in den Bedeutungsgehalt der Geschichte ein. Schälen Sie die wesentlichen Elemente, ihre Abfolge und ihren Zusammenhang heraus. Improvisieren Sie dann und verlassen Sie sich auf Ihre gute Vorbereitung. Die entsprechenden Worte werden sich einfinden.
- Die antike Rhetorik empfiehlt dazu: dramatisiere, personifiziere, lokalisiere, motiviere, dynamisiere und detailliere! Setzen Sie Ihre Körpersprache (Mimik, Gestik, Bewegung im Raum), Ihre Stimme (laut und leise, schnell und langsam) und auch Schweigepausen ein (Gesprächsführung).
Geschichten rezitieren
-
Wenn die Geschichte als Text vorliegt, tragen Sie sie so vor, als ob sie eine Geschichte „normal“ erzählen würden, d.h. frei (s.o.).
- Beim auswendig gelernten Vortrag besteht die Gefahr, dass Sie die Erzählung „herunterleiern“ (fehlerloses Rezitieren, ohne die Bedeutung zu verstehen) oder „stecken bleiben“ (die Kette von bedingten Reaktionen reißt). Um das zu vermeiden, müssen Sie die Geschichte von der Tendenz her schon mehr spielen als erzählen (von der Prosa zum Drama) (Vorspielen).
- Beim Vorlesen kann es andererseits passieren, dass Sie gedanklich „hinterherhinken“ (der frei Sprechende weiß im Voraus, was er sagen will) oder am Text „kleben bleiben“ (der frei Sprechende schaut seine Zuhörer an). Darum dürfen Sie nicht nur „vom Blatt lesen“. Sie müssen den Text schon vorher kennen. Lesen Sie dem Sprechen möglichst oft voraus, merken Sie sich den letzten Teil von Sätzen und tragen ihn frei und mit Blickkontakt vor.
Geschichten konstruieren
Sie können aus mehr oder weniger vielen Vorgaben eine Geschichte erfinden. Sie entsteht im Erzählen, kommt durch die „allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Sprechen“ (Heinrich von Kleist) zustande. Es braucht mindestens eine Vorgabe: einen Titel, einen angefangenen Satz, ein Thema, einen Ort, eine Tätigkeit, eine Person, eine Beziehung o.Ä.
3. Didaktisch-methodische Hinweise
Eine „Story“, ein „Geschichterl“, ein “Verzäll“ ist neben dem
Vortrag die zweite Möglichkeit einer mündlichen Darbietung. Die Erzählung ergänzt und erweitert Beschreibungen und Erklärungen, die beiden feststellenden Aussageweisen des Vortrags. Sie hat drei Kennzeichen:
(1) Sie schafft Zusammenhang und dadurch Bedeutung, (2) sie ist zeitlich organisiert, und (3) sie gibt Ereignisse als Handlungen wieder. Im Erzählen entsteht also ein zeitlich geordneter Handlungszusammenhang. Es kann den Vortrag und andere Aktionsformen der Wissensvermittlung nicht ersetzen. Aber es kann Wissenselemente sinnvoll miteinander und mit konkreten Situationen verknüpfen. So veranschaulicht das Erzählen nicht nur Theorie, sondern verbindet Theorie und Praxis.
Das sogenannte Erzählcafé ist im Unterschied zum hier vorgestellten Erzählen erstens eine ganze Veranstaltungsform und nicht nur eine Methode, in der zweitens die einen TN den anderen von früheren Zeiten (Zeitzeugen) oder anderen Ländern erzählen (s.
Teilnehmergeschichte).
4. Vorteile/Chancen – Nachteile/Probleme
Vorteile/Chancen:
- zwingt, konkret, gewichtend und zusammenhängend darzustellen
Nachteile/Probleme:
- wenig kritische Distanz möglich
- kein vorhergehender Wissenserwerb
Literaturhinweise: Aebli 2006; Gálvez 2009; Hof 1991; Masemann/Messer 2009; Meyer 2007; Siebert 2006
Dr. Balkes rät: „Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. Es braucht nicht eben ein scharf denkender Kopf zu sein, auch meine ich es nicht so, als ob du ihn darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm allererst erzählen“ (Heinrich von Kleist).
Autor: Ulrich Papenkort