Aktionsform
Büchertisch
Infobox
Lernziel |
Kopf |
Konkretisierung |
Sprachlich vermittelt |
Aktivität für die Lernenden |
erarbeitend |
Sozialform |
Einzelarbeit, Plenum |
Lernphase |
Erarbeiten, Integrieren |
Medien/ Material |
Tisch, Bücher und Dokumente, ggf. Dekoration |
Verwandte |
Text lesen |
Dauer |
10−20 Min. (für Präsentation, Vorstellung) |
Teilnehmerzahl |
Keine Einschränkung |
auch: Stiller Dozent
Ein vorbereiteter Tisch im Seminarraum lädt die TN dazu ein, in ausgewählten Materialien (Bücher, Dokumente, usw.) selbstgesteuert nach neuen Lerninhalten zu suchen und darin ausgewählte Inhalte zu erschließen.
1. Einsatzmöglichkeiten
- um Inhalte anhand verschiedener Medien (Bücher, Dokumente usw.) zu präsentieren
- als Materialstelle bei Arbeitsaufträgen, von wo aus TN Inhalte recherchieren oder vertiefen können
- um selbstgesteuertes Lernen der TN anzuregen und sie neugierig für weitere Inhalte und neue Lernmöglichkeiten zu machen
- als ungezwungenes Selbstlernangebot vor Seminarbeginn oder in Pausen
- um ein Thema abzurunden und auf weiterführende Seminarthemen hinzuweisen
2. So wird’s gemacht
Im Vorfeld:
- Sammeln Sie im Vorfeld des Seminars Bücher (auch: Dokumente, Materialien, Flyer usw.), die für den Büchertisch infrage kommen. Es empfiehlt sich, die Fundstücke in einer Liste zu dokumentieren:
- Einstieg und Überblick: z.B. Grundlagenwerke, Lehrbücher und Lexika
- Vertiefung: z.B. wissenschaftliche Studien, Forschungsberichte
- Aktuelle Aspekte: z.B. Fachzeitschriften, Pressemeldungen
- Anwendung: z.B. Handlungsleitfäden, Checklisten, Good-Practice-Artikel
- Inspiration und Kritik: z.B. populäre Literatur, Romane, Biografien, Polemiken
- Bestimmen Sie ein handhabbares Set von Büchern für den Büchertisch. Je mehr TN im Seminar, je komplexer und umfangreicher die Seminarinhalte, desto mehr und unterschiedliche Exemplare sollten Sie bereitstellen.
- Stellen Sie das Set zusammen und organisieren Sie die erforderliche Logistik. Bezugsquelle können der eigene (private) Buchbestand, die Bibliothek der Bildungseinrichtung oder eine kooperierende Buchhandlung sein.
- Verfassen Sie eine schriftliche Zusammenstellung aller Titel (Literaturliste; evtl. auch mit Kommentaren und Bezugshinweisen) als TN-Unterlage.
Vor dem Seminar:
- Stellen Sie im Seminarraum einen eigenen Tisch bereit. Platzieren Sie diesen am besten an einer Wand, an der Sie ggf. weitere Hinweise oder Plakate anbringen können.
- Legen Sie Ihre vorbereiteten Bücher und Materialien aus. Sortieren Sie diese (z.B. nach Themengebieten, Buchtypen, s.o.) und gestalten Sie die Auslagefläche (z.B. mit Beschriftungen, Dekoration zum Thema usw.).
Im Seminar:
- Zeigen Sie zu Beginn des Seminars (z.B. bei der Begrüßung) kurz auf den Büchertisch und laden Sie die TN zum Besuch und zum Schmökern im Laufe des Seminars ein.
- Lassen Sie zunächst die TN selbst den Büchertisch entdecken. Halten Sie sich in dieser Phase bewusst fern, bringen Sie sich erst auf direkte Rückfragen ein.
- Integrieren Sie den Büchertisch als Medium bei Präsentationen und Arbeitsaufträgen. Erläutern Sie ggf. wichtige Buchtitel und Dokumente so weit, dass die TN zielführend damit weiterarbeiten können.
- Sie können den Büchertisch auch mit dem Bistro-Tisch kombinieren: bringen Sie eine Auswahl an Büchern an den Bistro-Tisch mit und stellen Sie die kommentierend vor.
3. Didaktisch-methodische Hinweise
Im Zeitalter digitaler Informationstechniken mutet der Büchertisch womöglich aufwendig und anachronistisch an. Jedoch: Der Wert analoger Lehrmedien findet sich nicht aus der Konkurrenz zu netzbasierten Wissensquellen, sondern vielmehr in der Kombination mit ebendiesen:
- Das haptische Erleben von Büchern macht Lernen gegenständlich, weckt Emotionen und birgt einen hohen Aufforderungscharakter.
- Egal ob durch offenes Blättern und Schmökern oder in der konzentrierten Lektüre: Wenn TN sich längeren Ausführungen widmen, lernen sie Wissen, das komplexer ist, als es durch den Download großer Datenmengen oder Textfragmente angeeignet werden kann. Im Flow des Lesens können Menschen ideelle Orientierung erwerben und letztlich persönliche und kulturelle Identität entwickeln.
Das weltweite Internet und das analoge Medium ergänzen sich damit gegenseitig: Die TN lesen in einem Buch neue, interessante Aspekte und holen sich dann weitere Informationen aus dem Internet − und umgekehrt sowie mitunter auch parallel. Konsequenterweise sollte der Büchertisch im Seminar Anschlussstellen für netzbasierte Lehr- und Lernformen bereithalten, z.B. durch Links auf ausgewählte Online-Quellen, Videos, interaktive Methoden in geschlossenen Bereichen (z.B. Lernplattform) und offenen Communitys (z.B. soziale Netzwerke; vgl. auch E-Learning, Blog). Die TN wiederum können über Smartphone/Tablet Bezugsquellen von präsentierten Büchern, weitere Buchtitel usw. recherchieren.
Der Büchertisch ist weniger ein Medium, sondern vielmehr eine Aktionsform, die individuelle Lernprozesse auf hohem inhaltlichen Niveau anzustoßen vermag. Phasen des instruktivistischen Lehrens können mit Phasen selbstorganisierten Lernens sinnvoll verbunden werden. Die TN können hier schnell überprüfen, welche Quellen sie − nach dem Seminar − weiterverfolgen wollen und welche nicht. Der Büchertisch ersetzt damit nicht die eigentliche Lektüre, die passender zu Hause, auf dem Weg zum Arbeitsplatz oder in der Muße des Urlaubs passiert.
Die Methode Büchertisch wird mitunter auch als „stiller Dozent“ bezeichnet, um die TN darauf hinzuweisen, dass sie für ihre Fragen und Interessen neben dem SL eine weitere Stelle im Seminar erhalten, die sie jederzeit ansteuern können. Die Rolle des SL ist damit primär die des Hinführenden, Beratenden, Kommentierenden, Erklärenden. Mit der Methode gibt der SL den TN einen gewissermaßen intimen Einblick in seine Wissensbestände, Bezugsquellen und eigenen Recherchestrategien. Er präsentiert sich als fachkundiger Experte auf Augenhöhe, der die TN in deren Expertise wertschätzt und zum gleichrangigen Fachgespräch einlädt.
Jene SL, die überwiegend mit interaktiven, teilnehmerorientierten Methoden arbeiten, finden im Büchertisch eine methodische Variante, um gleichzeitig ihre inhaltliche Kompetenz bzw. fachliche Reputation unter Beweis zu stellen. Und: Ein Büchertisch ist der passende Ort, wo SL unaufdringlich Werbung in eigener Sache machen können (z.B. Flyer für weitere Seminare, Auslage eigener Publikationen).
Tipps zur Umsetzung:
- Ihre Logistik können Sie vereinfachen, wenn Sie mit einem lokalen (Fach-)Buchhändler oder einer örtlichen Bibliothek kooperieren, die die Titel Ihres Büchertischs vorbereiten und ggf. auch anliefern. Oftmals können diese auch Neuerscheinungen oder seltene Schriften beisteuern, über die Sie selbst (noch) nicht verfügen.
- Binden Sie (z.B. in längeren Seminarreihen) die TN bei den vorbereitenden Aufgaben mit ein, indem diese selbst nach weiterführender Literatur recherchieren und Buchtitel aus dem eigenen (privaten) Bestand mit beisteuern.
- Ein didaktisch gut gestalteter Büchertisch „verführt“ im besten Sinne die TN zu neuen, unbekannten Quellen. Berücksichtigen Sie daher auch gezielt thematisch verwandte, satirische, radikale, polemisierende Materialien.
4. Vorteile/Chancen – Nachteile/Probleme
Vorteile & Chancen:
- Trägt zur Lernraumgestaltung bei und gibt Impulse zum selbstorganisierten Lernen
- demonstriert die fachliche Kompetenz und Expertise des SL
- gute Möglichkeit, um Randthemen oder Spezialwissen in das Seminar zu integrieren
Nachteile & Probleme:
- der offene, unverbindliche Charakter führt nicht jeden Lernenden zum Lesen
- setzt Vorbereitungen voraus; Aktionsform kann nicht spontan eingesetzt werden
- Logistische Probleme, Verlust durch ungewolltes Mitnehmen
Autor: Ulrich Iberer