zurück

Special

Design Thinking

Design Thinking ist ein Ansatz zur Lösung von Problemen und zur Entwicklung neuer Ideen, der an bzw. im Umfeld der Stanford University entwickelt wurde. Der ursprüngliche Anwendungsbereich war die Produktentwicklung, der Ansatz findet jedoch mittlerweile breiten Einsatz auch in anderen Feldern.

Design Thinking ist eine Innovationsmethodologie, deren Ziel es ist, Lösungen zu finden, die Antworten auf tatsächliche Fragen und Problemlagen der Anwender geben. Das zentrale Moment ist also, dass das Produkt beziehungsweise die Dienstleistung konsequent im Hinblick auf die Bedürfnisse und Bedarfe der Nutzer entwickelt wird. Diese konsequente Orientierung an den Bedarfen der Anwender bzw. Nutzer ist in hohem Maße anschlussfähig an das in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung seit Jahrzehnten maßgebliche didaktische Prinzip der Teilnehmerorientierung.

Design Thinking

1. Einsatzmöglichkeiten

2. Basisinformationen

Begriff und Herkunft

Design Thinking ist in Grundzügen im Zusammenhang mit der Entwicklung komplexer technischer Industrie- und IT-Produkte bereits in den 1980er-Jahren entstanden. Das Ziel dabei lag darin, Artikel nicht „am Markt vorbei zu entwickeln“. Die zur Verfügung stehenden Entwicklungsressourcen sollen demnach effizient eingesetzt werden, und Produkte entstehen, die für die späteren Käufer einen echten Nutzen bringen.

Der Begriff „Design“ steht in diesem Kontext nicht lediglich für eine gelungene Gestaltung, sondern beschreibt den Entwicklungsprozess. Das „Thinking“ ergänzt diesen um planvolles, methodengestütztes Vorgehen. Neue Produkte sollen nicht als Ladenhüter enden, sondern die Bedarfe der Anwender bestmöglich treffen und so für das entwickelnde Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil schaffen. Das gelingt nur dann, wenn im Zusammenspiel verschiedener Akteure, wie z.B. Ingenieuren, dem Vertrieb, Produktionsplanern, Nutzern/Kunden etc., kreative Lösungen entworfen werden. Design Thinking sorgt für einen Rahmen, der interdisziplinäres Arbeiten, Kreativität und den Fokus auf den späteren Kundennutzen ermöglicht.

Der Begriff „Design Thinking“ wurde in seinem heutigen Verständnis 2003 von David Kelley und Tim Brown geprägt, indem sie ihre Erfahrungen aus der klassischen Produktentwicklung systematisierten. Sie gliederten den Prozess in einen klaren Phasenverlauf, beschrieben wesentliche Grundsätze und zeigten auf, dass Design Thinking nicht lediglich beim Entwurf dinglicher Objekte, sondern auch für die Entwicklung von Software, Dienstleistungen und Prozessen hilfreich ist.

Grundsätze

Design Thinking versteht Problemlösung und Innovation vorrangig als sozialen Prozess. Grundlegend ist die Annahme, dass Probleme besser gelöst werden können, wenn Menschen in einem kreativitätsförderlichen Umfeld zusammenarbeiten, gemeinsam eine Fragestellung entwickeln und dabei die Bedürfnisse und Motivationen von Menschen berücksichtigen.

Phasen im Design-Thinking-Prozess

Der Design-Thinking-Prozess ist weniger ein starrer Fahrplan, sondern vielmehr ein grober Orientierungsrahmen. Es existieren unterschiedliche Prozessbeschreibungen, die sich aber ähneln und lediglich in Teilaspekten unterscheiden.

Folgende Bausteine bilden grundsätzlich den Design-Thinking-Prozess:

Verstehen

oder: Einfühlen, Verstehen und Beobachten; engl.: Empathize, Understand and Observe

Motto: „Verstehe das Problem und laufe in den Schuhen deines Kunden!“

In dieser Phase geht es darum, ein grundlegendes und tiefes Verständnis für die Problemlage des Nutzers zu erhalten. Typische Fragen in dieser Phase sind: Worin zeigt sich ein Mangel, ein Problem? Was sorgt immer wieder für Fehler, Schwierigkeiten oder Verärgerung? Wo wird viel Zeit verloren?

Das Verstehen kann sowohl über Befragung als auch über Beobachtung erfolgen. In manchen Darstellungen des Design-Thinking-Prozesses werden „Verstehen“ und „Beobachten“ auch als getrennte Schritte betrachtet, bei denen das „Verstehen“ vorrangig dazu dient, die Gefühle und Bedürfnisse zu erfassen, und bei der durch das „Beobachten“ erste Hinweise auf die spätere Lösung ermittelt werden.

Für das „Hineinversetzen“ in den Kunden eignen sich besonders die Methoden Persona, Empathy-Map oder Canvas.

Definieren

oder: Standpunkt bestimmen; Design Challenge beschreiben; engl.: Define; Interpretation; Point of View; Scoping

Motto: „Konkretisiere das Problem in einer klaren, kurzen Beschreibung!“

Die Definitionsphase führt zu einer klar umrissenen Gestaltungsaufgabe (= „Design Challenge“), für die eine innovative Lösung gefunden werden soll. Durch eine klare und konkrete Beschreibung kommt man zu einem handhabbaren Fokus. Die Beschreibung der Design Challenge erfolgt häufig über eine „How might we …?“-Frage.

Beispiel: „[Kunde/Nutzer] möchte [Bedarf und Bedürfnis], weil [Ziel und Absicht]“.

Für diese Phase eignet sich insbesondere das Set von Techniken rund um die Moderationsmethode.

Ideen finden

(engl. Ideation)

Motto: „Sei kreativ und finde viele Ideen, bringe diese in eine Ordnung!“

In der Phase der Ideenfindung geht es nicht darum, die eine Idee, sondern möglichst viele Ansätze zu finden. Im Vordergrund steht die Quantität, das Assoziative und Kreative.

Typisch für diese Phase ist der Einsatz des Brainstorming und verwandter Arbeitsformen. Für die Entwicklung einer neuen Perspektive bietet sich das Reframing an.

Prototyping

Motto: „Mach die Idee anschaulich. Du darfst früh und oft scheitern!“

Das erste Ausgestalten der Lösungsansätze steht im Mittelpunkt der Prototyping-Phase. Es geht zum einen darum, bereits beim Bau des Demonstrators Hindernisse und Unbedachtes zu identifizieren. Darüber hinaus ermöglicht der Prototyp ein erstes Erproben der Idee.

In der Regel werden die Prototypen in mehreren Schleifen immer weiter verfeinert. Häufig werden in den frühen Runden mit Bastelmaterial, Lego oder anderem Spielzeug schnelle Lo-Fi-Prototypen erstellt (Prototyping). Wo nicht tatsächlich „greifbare“ Produkte entwickelt werden, eigenen sich z.B. Fotos machen, Rollenspiel oder Video drehen.

Testen

Motto: „Erprobe dein Ergebnis mit Nutzern/Anwendern!“

Der Übergang vom Prototyping zum Testen ist häufig fließend. Im Gegensatz zum Prototyping findet das Testen fast immer mit echten Anwendern statt. Hier kommt z.B. die Expertenbefragung zum Einsatz.

Ausprägungen

Design Thinking ist nicht lediglich ein Prozess, sondern kann auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden. Der „Komplettansatz“ setzt grundsätzlich auf die Akzeptanz von kreativen Arbeitsmethoden und Fehlertoleranz.

Ein wesentliches Element im Design Thinking ist die Iteration, bei der Ergebnisse fortlaufend verbessert werden. Dies lässt sich kaum in einem Einzeltermin ermöglichen, sondern erfordert ein ausreichendes Maß an Zeit. Dies kann entweder als Block organisiert werden, z.B. in Form einer „Design-Thinking-Woche“, oder als Reihe von Workshops, die über einen längeren Zeitraum organisiert sind. Diese Ausprägung wird man v.a. in selbst organisiert arbeitenden Teams finden.

In einer kompakten Form eignet sich Design Thinking auch als Workshop-Rahmung für kurze Zeitfenster, z.B. Tagesworkshops. Hier lassen sich eher geschlossene Fragestellungen bearbeiten, und man wird i.d.R. nicht über die Ideengenerierung und das Prototyping hinauskommen. Ein solcher Tagesworkshop kann auch der Ausgangspunkt für die weitere Bearbeitung im Sinne des oben beschriebenen Komplettansatzes sein.

design

Erläuterung zur Grafik:

Über den „Design Thinking Komplettansatz“ lassen sich weitreichende Innovationen entwickeln. Dies setzt ein hohes Maß an „agiler“ Reife in der Organisation voraus bzw. kann die Entwicklung entsprechender Denkweisen und Einstellungen sogar befördern. Der Komplettansatz ist nicht in einem Einzeltermin umsetzbar und erfordert einen langen Zeithorizont.

Im Gegensatz dazu eignet sich „Design Thinking kompakt“ für kurze Zeitfenster, z.B. Tagesworkshops. Hier lassen sich eher geschlossene Fragestellungen bearbeiten, und man wird i.d.R. nicht über das Prototyping hinauskommen. Der Fokus liegt hier eher auf der Schaffung von Grundlagen für kontinuierliche Weiterentwicklungsprozesse.

Werden lediglich Einzelschritte herausgegriffen, dann reduziert sich das Design-Thinking-Potenzial erheblich.

Kritik

Viele der im Design Thinking zum Einsatz kommenden Methoden sind nicht neu und in der Seminar- und Moderationspraxis lange bewährt. Auch sind die Grundsätze der Zentrierung auf den Menschen, des Praktischen und der Kreativität altbekannt und gehören als „Teilnehmerorientierung“ zum Grundverständnis der Erwachsenenbildung. Es ist offensichtlich, dass Kreativität und Lernen in Gruppen in eben dieser Disziplin schon immer auch als sozialer Prozess verstanden wurde. Ein vergleichbares Denken ist in technisch orientierten Berufsbildern weniger stark verankert. Für Pädagogen ist das Neuartige des Design Thinking v.a. in der klaren Ordnung und Strukturierung klassischer Workshop-Methoden und in der konsequenten Anwendung der oben beschriebenen Grundsätze zu finden. Für andere Professionen öffnet Design Thinking die Tür zu einer anderen Art des Arbeitens und zu einem reichhaltig gefüllten Methodenfundus.

Design Thinking in der Angebotsentwicklung

Der Ansatz des Design Thinking eignet sich besonders auch für die Anwendung in der Angebotsentwicklung. Die TN eines entsprechenden Prozesses bzw. Workshops sind in diesem Falle Erwachsenenbildner, die neue Angebote für ihre Adressaten entwickeln. Durch den fokussierten Prozess lassen sich neue Bildungsangebote in besonderer Weise auf die jeweilige Zielgruppe „zuschneiden“ (Persona).

Literatur: Lewrick/Link/Leifer 2017, Gerstbach 2016, Uebernickel/Brenner 2015

Autoren: Jan-Torsten Kohrs, Ulrich Müller, Dirk Nees