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Special

Pause

1. Begründung

Lernen und Lehren sind Arbeit. Wie bei jeder anstrengenden Tätigkeit bedarf es auch in Bildungsveranstaltungen Phasen der Ruhe, in denen Geist und Körper die Gelegenheit bekommen, sich zu erholen. Für Pausen sprechen schon rein physiologische Gründe: Unsere Muskeln brauchen Lockerung und Entspannung, v.a. nach langem Sitzen. Sitzen ist anstrengender als Gehen! Unterricht beansprucht oft genug auch einseitig unsere Sinnesorgane z. B. durch (über)langes Zuhören. Eine Abwechslung hilft, den jeweiligen Sinneskanal zu entspannen. Pausen sorgen für Ausgleich nach einseitigen Belastungen und stellen eine günstige physiologische Ausgangslage wieder her.
Hinzu kommen lernpsychologische Gründe: Zum Lernen gehören Phasen der Informationsaufnahme (Erarbeiten) und der Informationsverarbeitung (Integrieren). Die Vorgänge der Informationsverarbeitung, also der Einordnung des neu Gelernten in die vorhandene Wissens- oder Handlungsstruktur, dauern noch an, wenn die Informationsaufnahme bereits abgeschlossen ist. Diese „postmentalen Prozesse“, die den Lernenden zum allergrößten Teil nicht bewusst sind, benötigen ausreichend Zeit. Wird die Verarbeitung des eben Gelernten überlagert durch die Aufnahme weiterer Informationen, kommt es zu gegenseitigen Beeinträchtigungen (Lernhemmung durch zeitliche Nähe), insbesondere dann, wenn es sich um ähnliche Inhalte handelt (Ähnlichkeitshemmung). Neue Lerninhalte müssen sich also erst „setzen“, müssen „verdaut“ werden, bevor dem Gedächtnis die nächste „Mahlzeit“ serviert wird. Hierfür dienen auch Pausen.
Viele Erwachsene assoziieren Lernen mit Schule und daher mit Angst vor Blamage, vor Versagen usw. Diese Angst kann zu körperlichen und psychischen Verspannungen führen. Pausen sind ein Weg, solchen Verspannungen zu begegnen.
Nicht zuletzt finden in jeder Lerngruppe soziale Prozesse statt. Auch wenn wir uns bemühen, durch geeignete Methoden den TN Gelegenheit zu geben, sich gegenseitig kennenzulernen, Scheu voreinander abzubauen, Kontaktbedürfnisse zu befriedigen und sich untereinander auszutauschen, verbleibt doch immer ein „Rest“ an sozialen Motiven, die unter der vorgegebenen formalen Struktur nicht befriedigt werden können. Auch solchen sozialen Bedürfnissen dient die Pause, die durch ihre offene Struktur informelle Kontakte ermöglicht.
Schließlich unterstreicht jede Pause die Phasierung des Lernprozesses: Jetzt ist etwas zu Ende, nach der Pause beginnt etwas Neues.

2. Formen

Wir unterscheiden fünf Formen der Pause:

Die kurze Unterbrechung

„3-Minuten-Pause“

Die Kaffeepause
Eine Unterbrechung für ca. 15-20 Minuten, um Erfrischungsgetränke, Kaffee oder Tee zu sich zu nehmen. Eine solche Pause sollte einmal vormittags und einmal nachmittags eingelegt werden. Nur nebenbei: Falls Sie selbst für die Organisation verantwortlich sind: Sorgen Sie dafür, dass die Getränke zu Beginn der Pause schon bereitstehen.
 
Die Mittagspause
Sie sollte eineinhalb, besser zwei Stunden dauern. Auch wenn TN oft darum bitten, die Mittagspause zu verkürzen, um abends früher schließen zu können: Wir raten davon ab! In den allermeisten Fällen ist die Zeit unmittelbar nach einer sehr kurzen Mittagspause vertane Zeit: „Ein voller Bauch studiert nicht gern.“ Das Mittagessen sollte nicht zu belastend sein. Eine Salatplatte ist besser als Rinderbraten mit Pommes! Ein kurzer Spaziergang nach dem Essen ist erfrischend und tut allen gut. Selbst ohne Essen befindet sich der Biorhythmus zwischen 12.30 und 15.00 Uhr in einem Leistungstief.
 
Die kontrollierte Pause
Sie kann an die Stelle einer kurzen Unterbrechung treten, der Kaffee- bzw. Mittagspause vorausgehen (Entspannung) oder ihr angeschlossen werden (Bewegung). Es handelt sich um gezielte Übungen zur Bewegung (Bewegung/Tanz) und Entspannung (Entspannung, Geleitete Fantasie). Diese Formen stellen eine wertvolle Ergänzung zu den anderen, eher konventionellen Pausenformen dar, da sie einer echten Erholung oft wesentlich dienlicher sind als „bloßes“ (Gruppen-)Kaffeetrinken. Pausentätigkeiten sollten sich aus physiologischen und lernpsychologischen Gründen möglichst stark von der Lerntätigkeit unterscheiden: Gehen, Bewegen, Sitzen, Stille nach Sprechen und nach Zuhören.
 
Die programmleere Zeit
Bei länger dauernden Maßnahmen (länger als eine Woche) sollte nicht die gesamte Zeit als Arbeitszeit verplant werden. Die TN brauchen Zeiten, in denen Freiräume für selbstbestimmte Tätigkeiten wie Spazierengehen, Schlafen (auch mal am Nachmittag!), Nichtstun, Lesen, Schreiben vorhanden sind. „Mittwochnachmittag gibt es kein Programm.“ Stopfen Sie diese Zeiten nicht noch mit „Social Program“ bzw. Freizeitprogramm voll.

3. Verschiedenes

Vereinbaren Sie ein eindeutiges Zeichen für das Pausenende (Gong, Klangschale usw.). Achten Sie auf Pünktlichkeit (auch auf die eigene). Zu leicht wird der Arbeitsbeginn immer weiter verschleppt.
Vor der Pause kann es oft sinnvoll sein, eine kurze Zeit (10 Min.) der Einzelarbeit einzuschalten, während die TN ein persönliches Resümee ziehen, das Gelernte auf andere Situationen beziehen oder Konsequenzen überlegen können (Tagebuch schreiben).
Während der Pause kann Musik angenehm sein und die Entspannung fördern. Lüften sorgt für den nötigen Sauerstoffnachschub.
Bieten Sie nach der Pause an, die Plätze zu wechseln, um das Geschehen einmal aus einer neuen Perspektive verfolgen zu können. Körperliche Mobilität unterstützt die geistige Mobilität! Äußere Bewegung kann etwas innerlich bewegen.

 

Literaturhinweise: Rabenstein/Reichel/Thanhoffer 2009; Reichel 1992; Teml 1998; Vopel 2006
 
Autor: Ulrich Müller