Aktionsform
Forumtheater
oder: Szene-Stopp-Reaktion
TN spielen eine Szene. Einzelne oder alle Zuschauer ersetzen (zeitweise) die Spieler, greifen in die dramatische Handlung ein und verändern sie.
1. Einsatzmöglichkeiten
- um (zwischen-)menschliches Denken, Fühlen und Handeln zu erleben und zu verstehen
- um Empathie, Rollenübernahme und Ambiguitätstoleranz einzuüben
- um Ideen und Utopien zu entwickeln
- um Haltungen/Fertigkeiten zu schaffen oder zu ändern
- um Problemlösungen zu finden
2. So wird’s gemacht
- Sie stellen eine Szene vor, in der sich ein sozial(psychologisch)es Problem zeigt, dessen Lösung noch offenbleibt. Wenn die Szene nicht vorgegeben ist, kann sie ein TN vorschlagen und schildern. Er sollte von dem Problem betroffen sein.
- Fragen Sie, wer spielen möchte.
- Geben Sie den Spielern Zeit, sich mit der Szene vertraut zu machen und sie evtl. zu proben.
- Die Spieler führen in 10 bis 15 Minuten die Szene und eine übliche, aber unbefriedigende Lösung des Problems vor.
- Die Szene wird ein zweites Mal gespielt. Die Spieler versuchen, sie unverändert zu Ende zu bringen, und die Zuschauer bemühen sich, den Ablauf zu beeinflussen, indem sie neue, bessere Lösungen einbringen. Wer etwas einzuwenden hat, ruft „Stopp“ und kommt auf die Spielfläche. Die Spieler halten augenblicklich inne.
- Der Zuschauer ersetzt einen Spieler und gibt genau die Stelle an, wo er eingreifen möchte. Die Spieler nehmen an dieser Stelle die Szene zusammen mit dem Zuschauer wieder auf. Dieser spielt seinen Lösungsvorschlag durch. Der ersetzte Spieler verfolgt die Szene von draußen, bereit, jederzeit wieder in sie einzutreten. Die übrigen Spieler müssen auf die von dem Zuschauer geschaffene neue Situation eingehen und gleichzeitig sinngemäß auf der von ihnen zuerst vorgeschlagenen Lösung beharren. Damit verkörpern sie die Widerständigkeit der Realität. Schärfen Sie aber den Spielern ein, dass sie ihr Beharrungsvermögen nicht übertreiben und unterschiedslos jede Veränderung boykottieren dürfen. Der Maßstab für das Zulassen einer Veränderung: Ist die Rolle dann noch stimmig?
- Wenn der Zuschauer aufgibt, die Szene verlässt, schlüpft der ersetzte Spieler in seine Rolle zurück. Das Stück läuft wieder in der alten, veränderungsfeindlichen Perspektive weiter, es sei denn, ein weiterer Zuschauer ruft „Stopp“. Vielleicht wird es ihm, stellvertretend für alle, gelingen, den Druck zu brechen, der von den Spielern verkörpert wird.
Variante 1
Sie selbst unterbrechen die Szene an einem vorbestimmten Punkt. Die Zuschauer können spielend eingreifen oder lediglich notieren, wie sie in der Szene reagieren würden.
Variante 2
3. Didaktisch-methodische Hinweise
Das Forumtheater ist eine ursprünglich von Schauspielern in unterschiedlichen Institutionen (Schulen, Gefängnissen etc.) und auf offenen Plätzen ausgeübte Theaterform (
Theaterspiel), die eine pädagogische bis politische Stoßrichtung hat. Wie das
Statuentheater wurde es von dem Brasilianer Augusto Boal entwickelt. Eine Vorstufe zum Forumtheater ist die
simultane Dramaturgie, eine ebenfalls von Boal entwickelte Technik. Hier werden die Zuschauer zum Eingreifen in die Szene aufgefordert, ohne dass von ihnen verlangt wird, selbst als Akteure aufzutreten. Die Spieler müssen die mündlichen oder schriftlichen Vorschläge der Zuschauer ausführen. Sie werden zu Autoren und Regisseuren der Szene.
4. Vorteile/Chancen – Nachteile/Probleme
Vorteile/Chancen:
- konkret und anschaulich, lebendig und aktiv
- evtl. kathartische Effekte
- evtl. spannend und im besten Sinne unterhaltsam
Nachteile/Probleme:
- hohe Anforderungen an Spieler und Zuschauer
- evtl. zu hohe Betroffenheit
- evtl. bloße Problemspiegelung und sogar -verfestigung
Literaturhinweise: Boal/Spinu/Thorau 2007; Hülmeyer/Springer/Roeder/Ehrlich 1999
Dr. Balkes rät: „Entschärfen Sie die Methode für den pädagogischen Kontext, indem Sie (1) nur Probleme vorgeben oder zulassen, die keine zu große Betroffenheit auslösen, und Sie (2) die Spieler nicht damit beauftragen, den Lösungsversuchen der Zuschauer Widerstand entgegenzusetzen.“
Autor: Ulrich Papenkort