Aktionsform
Lebensfluss
Infobox
Lernziel |
Kopf, Herz |
Konkretisierung |
Sprachlich vermittelt, Bildlich vermittelt |
Aktivierung |
Erarbeitend |
Sozialform |
Partnerarbeit, Plenum |
Lernphase |
Erarbeiten, Integrieren |
Medien/ Material |
Klemmbretter für Notizen, DIN-A4-Papier und Stifte, Klangschale für Signal, Kopien mit Anleitung und Impulsen zur Auswahl, Flipchart |
Verwandte |
Partnerinterview, Fragen |
Dauer |
45 – 90 Min. |
Teilnehmerzahl |
12 – 30 TN |
„Lebensfluss“ bezeichnet das bildhafte Leitmotiv, um Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsvorstellungen von Personen oder auch Organisationen darzustellen und zu erschließen. Die TN rekonstruieren mit Hilfe ausgelegter Seile oder in gemalten Flussbildern Lebensläufe oder Lebensphasen und nehmen dabei ausgewählte wichtige, eventuell krisenhaft erlebte Herausforderungen in den Blick. Die Aktionsform ermöglicht TN, Erlebnisse zu kommunizieren, gewonnenen Ressourcen zu erschließen und Entwicklungsmöglichkeiten zu erkennen.
1. Einsatzmöglichkeiten
- Die TN kommen in Kontakt mit wichtigen Lebenserfahrungen, die sie unter dem Fokus „Gewonnene Ressourcen“ eventuell neu interpretieren können.
- Die Aktionsform ermöglicht auch den Ausblick auf zukünftige Herausforderungen oder die Imagination von Zukunftsszenarien.
- Je nach thematischer Einbettung können auch nur einzelne Stränge von Lebensläufen oder Zeitabschnitte in den Blick genommen werden (z.B. berufliche Biografien, familiäre Lebensfäden oder konzentriert z.B. auf Lebensphase Jugendzeit).
- Auch das Leben und die Geschichte einer Organisation (z.B. eines Vereins) kann mit ihren Wendepunkten, Entscheidungen und eventuellen Brüchen nachgezeichnet werden. Wichtige Akteuren in den einzelnen Phasen können erinnert und gewürdigt werden. Herausforderungen der Zukunft können gedeutet und die benötigten Ressourcen zu ihrer Bewältigung erfragt werden.
- Die TN können sich vertieft kennenlernen.
2. So wird’s gemacht
- Treffen Sie vorab mit Blick auf die Gruppe die Wahl des Mediums (Bild oder Seil). Ein ausgelegtes Seil als Veranschaulichung ermöglicht auch körperliche (und dabei emotionale) Bewegungen. Dieses Medium kann die Intensität steigern. Man kann die Lebenslinie abschreiten, sich zum Erzählen in den Lebensfluss stellen oder ihn von außerhalb betrachten. Eine weitere Variante wäre, mit Gegenständen symbolisch das Flussmodell des Seils zu gestalten.
- Das Bild als Medium erlaubt stärkere symbolhafte Ausgestaltung und Andeutungen (z.B. die landschaftliche Einbettung des Flusses). Durch die Aktion des Malens wird meistens schon eine deutlichere Distanz zum Erlebten geschaffen.
- Geben Sie einen Überblick über die Aktion.
- Je nach Gruppengröße und gewünschter Intimität kann dieser Gang durch die Lebensgeschichten, Lebensbereiche oder Lebensphasen als Arbeit im Plenum oder als Partner- oder Gruppenarbeit angelegt werden.
- Demonstrieren Sie zunächst, wie die Tiefe und Emotionalität der Erzählungen von den TN gesteuert und reguliert werden kann: durch die Auswahl von Ereignissen, durch haltgebenden Fragen im Prozess und durch den Perspektivenwechsel auf einen markierte Beobachterposten, der aus der Sicht der Gegenwart Vergangenes kommentiert. Zeigen Sie evtl. das Vorgehen anhand eines (persönlichen) Beispiels.
- Der TN gestaltet nun zunächst still den Lebensfluss. Beim Medium Seil können Windungen, Verwicklungen, Knoten den Charakter des Verlaufes andeuten. Beim Medium Bild können Elemente wie Quellen, Felsen, Zuflüsse, Barrieren, Wasserfälle, Schleusen und die umgebende Landschaft Prozesse symbolisch charakterisieren.
- Der TN wählt die Ereignisse aus, die er in den Blick nehmen möchte. Nicht mehr als zwei oder drei! Sonst wird der Lebensfluss möglicherweise emotional überflutend. Die Stellen werden markiert z.B. mit einer Moderationskarte beim Medium Seil oder mit einem Zeichen beim Medium eines gemalten Bildes.
- Beim ausgelegten Seil kann der TN zunächst zum markierten Erlebnisort wandern, sich zur Erinnerung auf den Punkt stellen und mit Hilfe von Fragen erzählen.
- Die Aktionsform soll nicht ins tiefe, emotionale Wiedererleben der krisenhaften Situation führen. Sie unterstützen als Kursleiter/in den TN, die reflektierende Distanz zu wahren. Wenn Emotionen beim Erzählen für den TN unangenehm mächtig werden, regen Sie als Anleitender den Wechsel zu einem neutralen, markierten Punkt („Bodenanker“) oder sicheren Platz der „Gegenwart“ an, um das Erlebte aus der Beobachterperspektive zu kommentieren.
- KL (Plenum) oder Partner unterstützen das Berichten durch (Nach-)Fragen, lassen aber die persönliche Freiheit des Erzählens.
- Herausgearbeitete Ressourcen (Erkenntnisse, Unterstützung) werden von dem Begleiter (KL oder Partner in der Partner- oder Gruppenarbeit) knapp jeweils auf Karteikarten protokolliert (z.B. „Ich habe gelernt, Hilfe anzunehmen, ohne mich dafür zu schämen!“ „Ich habe zwar gelitten, aber auch früh Verantwortung für mich übernommen!“). Als Anleitende formulieren Sie negative Selbstzuschreibungen positiv um (Beispiel: Statt „Ich war immer so bestimmend …“ nun „Ich bin bereit, für meine Überzeugungen einzustehen …“).
- Diese Karten mit den gesammelten Ressourcen werden als „Lebensschatz“ dem TN nach seinem Gang durch wichtige Ereignisse seiner Vergangenheit vorgelesen und überreicht.
- Je nach Anlage und Zielsetzung kann auch ein Blick auf anstehende, zukünftige Herausforderungen geworfen werden und reflektiert werden, welche der Kraftquellen genutzt werden können oder verlässlich sind oder erschlossen werden müssen.
Beispiel für Fragen
- Um welches Ereignis geht es? Wann war das Ereignis? Was passierte um diese Stelle herum? Was war der Konflikt (Einerseits …, andererseits …)?
- Von wem habe ich Hilfe bekommen? Was hätte ich gebraucht?
- Was habe ich selbst unternommen?
- Aus heutiger Sicht: Was habe ich Positives für mein Leben aus dieser Krise gelernt?
3. Didaktisch-methodische Hinweise
Die Aktionsform stammt aus dem Kontext systemischer Beratung und Therapie. Sie kann sehr intensiv sein. Hier liegt ihre Chance und Potenzial und gleichzeitig auch das Risiko, nämlich emotional zu sehr in die Tiefe zu gehen. Deshalb sollten Sie großen Wert auf die „Sicherungen“ legen, wie TN den Grad der Intensität für sich oder mit Ihrer Hilfe steuern können. Pädagogisch verstanden steht nicht das emotionale Wiedererleben im Vordergrund, sondern die Reflexion von Krisen im Leben. Sie dient zum persönlichen Sammeln von Ressourcen. Das chinesischen Schriftzeichen von Krise hat zwei Lesarten: Gefahr und Chance. Die Aktionsform Lebensfluss fokussiert den Aspekt der Chance stärker.
Zeitlich ist die Aktionsform aufwändiger. Für einen Durchgang können Sie ungefähr 20 Minuten pro TN veranschlagen. In größeren Gruppen und bei höherer Selbständigkeit der TN empfiehlt sich eine einführende, exemplarische Demonstration im Plenum und eine anschließende Verlegung in die selbständige Partner- oder Kleingruppenarbeit. Im Plenum können die TN die „kostbarsten“ Ressourcen vorlesen, um sie auch öffentlich zu verstärken. Für diese Aktionsform sollten die TN bereits etwas vertrauter miteinander sein.
4. Vorteile / Chancen – Nachteile / Probleme
Vorteile / Chancen:
- Krisen werden als wichtige Entwicklungsschritte wahrgenommen
Nachteile / Probleme:
- Gefahr einer emotionalen Überflutung durch die erinnerten Erlebnisse
Literatur: Berndt 2013: Filipp/Aymanns 2010; Kindl-Beilfuß 2014; Langosch 2015; Nemetschek 2006 Anleitung online auch z.B. unter https://www.youtube.com/watch?v=1guQ93o-sHI
Autor: Martin Alsheimer