Wie werden wir künftig arbeiten? – Der Diskurs um die Zukunft von Arbeit hat nochmals deutlich an Fahrt aufgenommen. Die fortschreitende Digitalisierung von Produktions- und Arbeitsprozessen einerseits (Stichwort “Industrie 4.0”), sowie die demografischen Umbrüche und markant andersartigen Lebens- und Verhaltsmuster junger Menschen (“Generation Y”) fordern die Arbeitswelt heraus. Klischees zu beiden gibt es reichlich, Unternehmensverbände und Gewerkschaften diskutieren lebhaft die vermeintlichen Chancen und Gefahren. In Fachzeitschriften und Gazetten schildern Experten verschiedenster Colour mal Aufbruchstimmung, mal Tristesse.
Wie werden wir künftig weiterbilden? – Diese naheliegende Frage wird merkwürdigerweise dagegen weit weniger intensiv diskutiert, obgleich der Bildungsarbeit auf allen Ebenen (Ausbildung, Fort- und Weiterbildung, Personal- und Organisationsentwicklung) ein besonders wichtiger Stellenwert beigemessen wird: “Entscheider müssten die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, ein dazu passendes Sozialsystem und mehr Weiterqualifizierung diskutieren” (entdeckt in: Der Tagesspiegel vom 15.03.2016: “Wie die Arbeit der Zukunft aussehen könnte”).
Angestoßen durch Diskussionen mit Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern hatte ich mir diese Tage den Dokumentationsfilm “Work Hard, Play Hard” von Carmen Losmann aus dem Jahr 2011 wieder aus dem Medienschrank geholt (Website zum Film). Die neuen Formen der Arbeitsorganisation und des Personalmanagements werden darin in einer Collage von Mitschnitten aus Personalgesprächen, Trainings, Workshops sichtbar gemacht, im Film selbst ohne weitere Kommentare oder Interpretationen. Die Botschaft des Films: Vordergründig mitarbeiterorientierte Methoden wirken als subtile Taktiken, um die Ressource Mensch für ökonomische Zwecke zu vereinnahmen. “Wenn er ‘im Flow ist, also in seiner Arbeit aufgeht, sich mit der Firma und seiner Aufgabe identifiziert, dann macht ihm die Arbeit im besten Fall so viel Spaß, dass er gar nicht mehr damit aufhört” (Martina Knoben, Süddeutsche Zeitung Online am 13.04.2012: “Für immer im Flow”).
Einfache Antworten und Patent-Lösungen sind per se verdächtig, die Komplexität der modernen Arbeitswelten zu verfehlen. Nichtsdestotrotz vertraue ich in das didaktische Potenzial der großen Bandbreite verschiedener Trainingsmethoden und dem didaktischen Know-How aus erfolgreichen Bildungsprojekten. Die folgenden Plädoyers für eine “Weiterbildung 4.0” fußen auf zunächst bekannten, bewährten Lehr- und Lernverfahren. Sie nehmen gleichzeitig die Anforderungen von unstreitbar veränderten Arbeitswelten als Anlass für eine konzeptionelle Weiterentwicklung:
1. Weiterbildung als konsequentes “Blended Learning”
Die Entgrenzung von Ort und Zeit moderner Arbeitswelten fordert Weiterbildung heraus, hier Schritt zu halten und auch ihrerseits Konzepte aufzulegen, die den Erwartungen an weitgehende individuelle Mobilitäten gerecht wird. “Blended Learning”, bislang verstanden als Kombination von Präsenzseminar und Online-Lernphasen, kann darüber hinaus den Rahmen für individuelle Lernprozesse und gleichzeitig angeleitete Lehrphasen schaffen.
2. Mehr simulatives Lernen
Informationen finden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weitgehend selbstgesteuert in verschiedenen Datenquellen. Organisierte Weiterbildung ist dagegen der Raum, in dem Inhalte gelernt und in Interaktion mit anderen Menschen erlebt werden. Die gemeinsame Zeit im Seminarraum dient dazu Neues zu erproben, Bekanntes und Unbekanntes zu üben, Wirkungen zu reflektiveren. Simulationen, Planspiele und erlebnispädagogische Verfahren fordern zu unmittelbarer Auseinandersetzung heraus.
3. Themen der Lernenden als Ausgangspunkt
Beispiele können trockene Theorie anschaulich machen. Um die Komplexitäten moderner Arbeitswelten sinnvoll zu zu bearbeiten, müssen zeitgemäße Lernkonzept jedoch so unmittelbar wie möglich an den Realitäten der Lernenden ansetzen. Projektlernen, Fallbesprechung, kollegiale Beratung oder gemeinsame Videoanalysen sind bekannte Methoden, in denen die Themen der Lernenden den konzeptionellen Ausgangspunkt von Weiterbildungsmaßnahmen geben.
4. Organisationales Lernen forcieren
Die Investition in Aus- Weiterbildung wird von Unternehmen mit wichtigen strategischen Zielen verbunden, die Erwartungen an nachvollziehbare Effekte im Betrieb nehmen zu. Personalentwicklungskonzepte müssen diesem Anspruch weiterhin gerecht werden und verstärkt solche Methoden integrieren, die den Lerntransfer in die Arbeitspraxis fördern. Hierbei sind nicht nur die Lernenden i.e.S. tangiert, sondern ebenso die Führungskräfte und Mitarbeiter in deren Umfeld.
5. Gegentrends integrieren
Moderne Weiterbildungskonzepte zeichnen sich dadurch aus, dass die Lernenden als Impulsgeber, Motivatoren und Kritiker in ihrem Arbeitsbereich wirken. Jeder vermeintliche Trend korrespondiert mit einem Gegentrend: Neben bedarfsorientierter Fortbildung kann eine angebotsorientierte Personalentwicklung Neugier für andere Perspektiven, Ideen und Möglichkeiten wecken. Die Widersprüche und Komplexitäten moderner Arbeitswelten erfordern den Raum für kontroverse Methoden, irritierende Zugänge. Methoden mit einfachen Regeln, wenig Aufwand und unter Verzicht auf jegliche Medien fördern die Konzentration auf das Wesentliche und wirken als Gegenpol zur Beschleunigung im Arbeitsalltag (Beispiele: Lernspaziergang, Kamingespräch).
Diese konzeptionellen Prämissen sind selbstredend weder erschöpfend noch abgeschlossen:
Auf Ergänzungen, Erweiterungen, Erwiderungen freue ich mich jederzeit.
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