Zum Jahreswechsel finden sich in meinem Seminarkalender wieder viele Aufträge, die sich mit „Kommunikation“ und „Zusammenarbeit“ beschäftigen. Auch und gerade in derartigen Trainings empfinde ich eine aktive Seminargestaltung als besonders wichtig, da durch das Erleben der eigenen Person in Kommunikationssituationen die Grundlage für reflexive Prozesse geschaffen wird.
Eine der Möglichkeiten zur aktiven Seminargestaltung besteht im Einsatz von Kommunikations- und Kooperationsspielen. Oft werden diese lediglich als Auflockerung eines Seminartages eingesetzt – und damit wird leider die Chance verpasst, dass man die Spiele und Übungen auch sinnvoll, d.h. im Sinne des Seminathemas nutzt.
Ich habe Ihnen nachfolgend einige Spiele zusammengestellt, mit denen ich gerne im Kommunikationstraining arbeite. Nicht nur als Auflockerung, sondern auch um diese als Metapher für Situationen in der Arbeitswirklichkeit zu nutzen, um Analogien und Parallelen zu erarbeiten. Der Spaß am Spiel bleibt trotzdem erhalten, er wird aber durch eine weitere sinnvolle Ebene ergänzt. Und damit machen die Übungen auch für die Teilnehmer Sinn, die sonst skeptisch gegenüber derartigen Spielen sind.
Haben Sie weitere Anregungen? Dann freue ich mich, wenn Sie mir diese im Kommentarbereich mitteilen!
Magischer Teppich
Die gesamte Gruppe versucht eine Plane umzudrehen, ohne dass dabei Personen oder Dinge verloren gehen – Kooperation wird erlebbar!
- Breiten Sie eine Gewebeplane aus dem Baumarkt auf dem Boden auf. Die Teilnehmer stellen sich auf die Plane und erhalten nun den Auftrag die Plane zu wenden. Dabei darf zu keinem Zeitpunkt Fläche neben der Plane berührt werden.
- Der Schwierigkeitsgrad kann noch gesteigert werden, wenn während der Übung keine mündliche Kommunikation zugelassen ist. Zusätzlich können auch noch Gegenstände auf der Plane platziert werden, die während der Übung nicht verloren gehen dürfen. Gut geeignet sind Schuhschachteln oder Pappkartons, die mit wichtigen Begriffen beschriftet werden („wir müssen aufpassen, dass wir die „gesunde Ernährung“ nicht verlieren“).
- Die Größe der Plane soll so bemessen sein, dass die Teilnehmer recht eng stehen.
Diese Übung ist gut als Einstieg für die Themen Zusammenarbeit, zielorientiertes Handeln und Kommunikation geeignet. Je nach Größe der eingesetzten Plane kann man mit der gesamten Gruppe arbeiten oder aber man setzt mehrere Planen ein und teilt die Gruppe.
Eisscholle
Zweiergruppen versuchen, auf immer kleiner werdenden Raum festen Stand zu behalten – eine Metapher für den Umgang mit knappen Ressourcen.
- Legen Sie Flipchartblätter auf den Boden aus und bitten Sie die Teilnehmer sich jeweils zu zweit darauf zu stellen. Die Blätter stehen für Eisschollen, die nun langsam schmelzen, d.h. auf das Zeichen des Seminarleiters muss das Papier einmal in voller Länge durchgerissen werden. Auf einem der verbliebenen Stücke müssen sich nun wieder beide stellen, und zwar so, dass kein Fuß direkt den Boden berührt.
- Mit jeder Runde steigt der Schwierigkeitsgrad, da die Grundfläche immer kleiner wird. Teilnehmer lösen dies häufig, indem sie nur noch auf einem Bein auf der Eisscholle stehen oder sich Huckepack nehmen.
Diese Übung hat Ähnlichkeiten zum „Magischen Teppich“, ist jedoch von vornherein nur für Partnergruppen ausgelegt. Die Metapher der instabilen und schmelzenden Eisscholle ist gut geeignet, um z.B. das Gespräch über Schwierigkeiten und Störeinflüsse in Gang zu bringen („Wenn wir die Eisscholle als Bild für unsere Arbeitspraxis verstehen – was sorgt denn bei uns dafür, dass die Eisscholle wacklig ist und was beschleunigt das Schmelzen?“).
Setzen Sie diese Übung nur ein, wenn körperliche Nähe für die TN kein Problem ist!
Fester Stand
Teilnehmer versuchen sich gegenseitig aus der Balance zu bringen – typische Lösungsstrategien für den Umgang mit Konflikten werden erlebbar.
- Bitten Sie die TN sich paarweise zusammenzufinden und sich so aufzustellen, dass man sich direkt ins Gesicht sehen kann. Der Abstand zwischen den TN sollte etwa eine Armlänge sein.
- Die Teilnehmer sollen nun die Handflächen aneinander legen und ein Bein vom Boden heben.
- Auf ein Zeichen des Seminarleiters wird nun versucht das Gegenüber aus dem Gleichgewicht zu bringen. Das wird mehrfach wiederholt.
- Im Nachgespräch werden die unterschiedlichen Strategien besprochen, die eingesetzt worden sind (nachgiebig sein, überraschen, es mit Stärke und Kraft versuchen,…).
Konflikte und gegensätzliche Ansichten sind in der Arbeitspraxis unvermeidbar. Mit diesem Einstig lassen sich verschiedene Lösungswege praktisch erfahrbar machen und diskutieren. Es wird dabei beispielsweise deutlich, dass es in der Regel keinen Gewinner des Kräftemessens gibt, wenn beide es mit „Stärke und Kraft“ versuchen.
Damit diese Übung funktioniert, sollte sichergestellt werden, dass sich Teilnehmern mit ähnlicher Statur und Kraft zusammenfinden. Achten Sie darauf, dass ausreichend Raum gegeben ist. Setzen Sie diese Übung nur ein, wenn die TN körperlich fit sind!
Das Schwebeholz
Die Gruppe erhält den Auftrag einen Stab gemeinsam auf dem Boden abzulegen. Diese Aufgabe wirkt einfach, die Umsetzung ist aber gar nicht so leicht – und ohne Kommunikation geht es nicht!
- Der Trainer bittet die Seminargruppe so Aufstellung zu nehmen, dass sich immer zwei TN gegenüber stehen (Abstand etwa eine Armlänge).
- Die Teilnehmer strecken nun mit angewinkeltem Arm den Zeigefinger aus. Alle Finger sollen auf der gleichen Höhe sein, so dass man auf den Fingern eine lange Bambusstange ablegen kann (wichtig ist eine möglichst leichte, ausreichend lange und steife Stange – auch aufgeklappter Meterstab, sehr eng gerolltes Flipchartpapier, ineinandergesteckten Kabelkanälen aus Kunststoff, etc. sind möglich).
- Die Teilnehmenden erhalten nun den Auftrag die Stange auf den Boden abzusenken (wer den Schwierigkeitsgrad erhöhen will untersagt dabei die verbale Kommunikation in der Gruppe)
- Wichtigste Regel bei dieser Übung: Jeder Teilnehmern muss immer mit beiden Fingern Kontakt zur Stange halten. Bis zu Startsignal hält der Seminarleiter die Stange mit sanftem Druck auf den Fingern der Teilnehmer in Position.
- Verblüffenderweise steigt die Stange in der Regel meist nach oben. Das Absenken gelingt erst nach mehreren Anläufen und nachdem sich die Gruppe (non-verbal) auf ein gemeinsames, koordiniertes Vorgehen geeinigt hat.
Mit dieser Übung lässt sich ein Einstieg in die Themen Zusammenarbeit, zielorientiertes Handeln, Bedeutung von Führung, Kommunikation und/oder Körpersprache gestalten.
Setzen Sie diese Übung nur ein, wenn körperliche Nähe für die TN kein Problem ist!
Balltransport /Magic Tower
Die Gruppe versucht gemeinsam ein ambitioniertes Ziel zu erreichen – ohne ein gemeinsames Verständnis von Vorgehen und Ziel gelingt das kaum.
- An einem Ring, z.B. von einer Vorhangstange, werden Schnüre mit mindestens zwei m Länge verknotet, so dass jeder TN mindestens ein Schnurende erhalten kann.
- Auf den Ring wird nun ein Jonglierball gelegt.
- Die TN erhalten nun den Auftrag diesen Ball an einem Ziel abzulegen. Dazu muss der Ring samt Ball mit den Schnüren angehoben werden (die Schnüre gehen strahlenförmig vom Ring nach außen). Fällt der Ball zu Boden, dann muss erneut vom Ausgangspunkt gestartet werden.
- Der Weg zum Ziel lässt sich vielfältig gestalten: echte oder symbolische Hindernisse können in den Weg gelegt werden, einzelne Teilnehmer werden durch Augenbinden blind und müssen geführt werden, nach gewisser Zeit werden Schnüre getauscht, etc.
Damit ein Team ein gemeinsames Ziel erreichen kann müssen verschiedene Dinge geklärt sein: Was genau ist das Ziel (hier: möglichst schnell zu sein, möglichst wenige Anläufe zu brauchen, möglichst alle gleichmäßig zu beteiligen), wer führt und warum, wie begegnet man Schwierigkeiten, usw.. Diese Übung eignet sich hervorragend, um für diese Punkte zu sensibilisieren. Diese Übung lässt sich hervorragend auch im Freien durchführen.
Alternativ lassen sich auch aus Holzblöcken Türme stapeln. Anstelle des Rings wird ein Drahthaken, z.B. aus einem Drahtkleiderbügel, eingesetzt. Die Holzklötze müssen schräg angesägt sein, so dass man mit dem Drahtbügel einfädeln und den Klotz anheben kann.
Wer nicht selber basteln will, der kann dieses Handwerkszeug auch bei metalog erstehen. Nicht unbedingt überraschend günstig, aber dafür in hervorragender Qualität. Auf der Webseite von metalog finden sich auch Beispielvideos, die den Einsatz der Methode zeigen.
Turmbau
Kleingruppen bauen aus vorgegebenem Material einen möglichst hohen Turm – und erfahren wie schnell Planung und Realisierung auseinanderdriften.
- Die Gruppe wird in zwei Teams aufgeteilt. Jedes Team teilt sich in zwei Unter-Teams auf: die Planer und die Umsetzer. Jedes Team erhält den gleichen Materialsatz, bestehend aus 1 Pinnwandpapier, drei Flipchartbögen, einer Schere, einer Rolle Tesafilm und 20 Zahnstochern (der Materialsatz kann variiert werden). Die Planer entwickeln eine Idee, wie der Turm gebaut werden soll und zeichnen diese auf Flipchart auf. Die Umsetzer sollen gemäß des Plans bauen, die Planer dürfen dabei nicht selbst Hand anlegen. Umgekehrt dürfen die Umsetzer sich nicht an den Bauarbeiten beteiligen.
- Nach der Bauphase werden die Baupläne und die beiden Türme verglichen.
Diese Übung macht Spaß und setzt viel Energie bei den Teilnehmern frei. Die Höhe des Turms ist dabei eigentlich nebensächlich. Vielmehr wird hier erlebbar, wie eine theoretische Planung realisiert wird – und Abweichungen sind dabei vorprogrammiert. Der Turmbau ist gut geeignet, wenn man die Diskrepanz zwischen den Plan und Umsetzung thematisieren möchte. Dabei werden auch viele typische Aussagen erlebbar: „die haben wieder nur Mist geplant“, „ das konnte von vornherein nicht funktionieren“, „warum machen die nicht einfach was auf dem Plan steht“, „können wir den Plan an die Realität anpassen“, usw..
Sie meinen, dass Sie das mit dem Turmbau schon mal bei uns gelesen haben? Richtig! Dazu hatten wir vor einiger Zeit einen Gastbeitrag von Sylvia Class.
Viel Erfolg beim Ausprobieren!
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