Sozialform
Gruppenarbeit 1: Allgemeines und Einsatzmöglichkeiten
1. Allgemeines
Wer als Dozent die Routine von Vortrag und Gespräch im Plenum durchbrechen will, greift meist als Erstes zur Gruppenarbeit. Das Gelingen von Gruppenarbeitsphasen hängt jedoch entscheidend davon ab, ob sie sorgfältig methodisch geplant sind. Hier gilt es, über Arbeitsauftrag, Gruppengröße und -anzahl, Arbeitszeit, Gruppenbildung, Ergebnispräsentation usw. zu entscheiden. Gruppenarbeit heißt: Das Plenum wird in Teilgruppen von 3–7 Mitgliedern aufgeteilt, die für eine bestimmte Zeit getrennt voneinander arbeiten.
Gruppen sind „auf dem Vormarsch“: Die Lösung der vielen globalen Probleme, z.B. Umwelt, Verkehr, Arbeitslosigkeit, Stadtentwicklung, Bevölkerungsexplosion, Hunger, erfordert heute das Zusammenwirken von Fachleuten in interdisziplinären Teams. In den Unternehmen revolutionieren aktuelle technische Entwicklungen die Arbeitsorganisation: Mehr und mehr werden Planungs- und Kontrollkompetenzen an Gruppen vergeben. Ihr Spielraum für selbstverantwortliches Entscheiden wächst dadurch erheblich. Gestiegen sind jedoch auch die Anforderungen an die soziale Kompetenz der Gruppenmitglieder.
Vor diesem Hintergrund gewinnen Gruppenarbeitsmethoden in der Weiterbildung eine zusätzliche und weit über die unmittelbare methodische Bedeutung hinausweisende Relevanz: Es geht nicht nur darum, durch Gruppenarbeitsphasen das Lernen zu erleichtern und zu unterstützen, sondern auch darum, in Gruppen zusammen arbeiten und kommunizieren zu lernen. Und dies nicht nur im Bereich des Trainings sozialer Kompetenzen, sondern durchgängig in allen Bereichen der Weiterbildung.
Die Durchführung von Gruppenarbeit birgt jedoch auch gewisse Tücken, denen Sie sich als SL bewusst sein sollten:
- In den meisten Fällen können Sie auf das Verantwortungsbewusstsein der TN und die Selbstregulationsmechanismen von Gruppen vertrauen. Manchmal kommt es jedoch auch zum sogenannten “sozialen Faulenzen“ bzw. „Trittbrettfahren“, was so viel heißt, dass sich einzelne TN auf den Ideen der anderen ausruhen und sich der Leistung entziehen. Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, besteht darin, jedem einzelnen Gruppenmitglied eine individuelle Aufgabe zuzuweisen. Gehen Sie jedoch mit diesem doch sehr starken Eingriff in die Autonomie der Gruppe sparsam um.
- Ein weiterer Prozessverlust in Lernkooperationen wird unter dem Begriff “Ringelmann-Effekt“ gefasst: Ringelmann wies nach, dass die Summe der Einzelleistungen größer ist als die Leistung der Gruppe. Als Ursache nennt er Koordinationsschwierigkeiten und Motivationsverluste. Die Stärke korreliert dabei positiv mit der Gruppengröße. Achten Sie als SL daher auf die Gruppengröße (mehr dazu finden Sie im weiteren Textverlauf).
2. Einsatzmöglichkeiten
Einsteigen
- um sich auf ein Thema einzustimmen (z.B. „Was stellen wir uns vor unter …?“, „Was fällt uns zu … ein?“)
- um Einschätzungen, Meinungen, Fragen zu sammeln und zu artikulieren (z.B. „Was möchten wir wissen über …?“)
Erarbeiten
- um sich mit neuem, vorgegebenen Material auseinanderzusetzen (Texte, Bilder, Fallbeispiele usw.)
- um Vorwissen / Vorerfahrungen zu aktivieren (z.B. „Was wissen wir über …?“, „Was haben wir schon erlebt mit …?“)
- um fantasie anzuregen, Ideen zu produzieren (z.B. „Wie könnte eine Lösung aussehen?“)
- um sich Informationen und neue Erfahrungen anzueignen
Integration
- um Informationen zu verarbeiten, zu festigen und zu vertiefen (z.B. „Was hat sich in unserer Sicht des Themas … geändert?“)
- um im Anschluss an Informationen Fragen zu sammeln (z.B. „Was ist noch unklar?”)
- um Anwendungsmöglichkeiten zu suchen (z.B. „Wo können wir … einsetzen/nützen/gebrauchen?”)
- um Praxisprobleme zu überlegen/zu diskutieren
- um Erfahrungen auszutauschen und zu vergleichen
Auswerten
3. Vorteile/Chancen – Nachteile/Probleme
Vorteile/Chancen:
(Vergleich mit Plenum)
- aktiviert zurückhaltende TN
- Austausch individueller Erfahrungen und Kenntnisse
- vervielfältigt die Leistungsfähigkeit Einzelner
Nachteile/Probleme:
- Thema für Gruppen nicht geeignet
- ausschließlich der Abwechslung wegen, ohne didaktisch-methodische Notwendigkeit
Literaturhinweise: Knoll 1997; Meyer 2007; Müller 2001d
Autor: Ulrich Müller