Die Innovations-Drehscheibe (3): Overhead trifft Beamer

Wer mit seiner Seminardidaktik erfolgreich sein möchte, muss über seinen gesammelten Methodenfundus hinaus immer wieder selbst neue Verfahren kreieren und erproben. Mit der Reihe “Innovations-Drehscheibe” in diesem Blog wollen wir Ihnen einen Einblick in unsere Experimente für neue Lehr- und Lernverfahren geben.


Vom Revival des Overhead-Projektors

Overhead-Projekten waren über lange Zeit das dominierende Präsentationsmedium in Klassenzimmern, Vorlesungssälen und Seminarräumen, bevor sie von elektronischen Lichtprojektoren abgelöst wurden. Die Kombination “Beamer und Laptop” ermöglichte ein deutlich einfacheres und kostengünstigeres Erstellen und Wiederverwenden von eigenen Präsentationen; die multimedialen Techniken erweiterten die Darstellungsformate. Nicht mehr der “OHP” sondern der Beamer nimmt heute in vielen Bildungseinrichtungen die Rolle eines Leitmediums ein.

Neulich durfte ich eine neue Dozentin in einen Seminarraum einführen und wurde von ihr mit der Frage nach dem “OPH” überrascht. Sie wolle mit der zu erwartenden großen Teilnehmergruppe Arbeitsergebnisse live aus dem Prozess heraus und für alle gut sichtbar präsentieren, und dafür wäre der Overheadprojektor das beste Medium (und tatsächlich fand sich im Keller ein ausgemustertes, aber noch voll funktionsfähiges Gerät).

In methoden-kartothek.de haben wir sowohl für den Overhead-Projektor als auch für den Beamer Lehrszenarien beschrieben, wo bzw. wie die beiden Geräte ihre jeweiligen mediendidaktischen Stärken am besten ausspielen können. Die Begegnung mit der Dozentin hat mich angespornt hieran anzuknüpfen und weiterzudenken: Könnte man nicht aus beiden Medien ein neues Gerät erfinden, mit dem der Lehrende dann mehr didaktische Möglichkeiten hat?

DokumentenkameraEin interessanter Ansatz erschien mir die sogenannte “Dokumentenkamera” (auch: “Visualiser”). Sie ähnelt funktional einer Videokamera, ist in Form einer Leselampe designt und hat Verbindungen bzw. Schnittstellen zu anderen elektronischen Medien (Laptop, Beamer usw.). Einen größeren Bekanntheitsgrad hat die Dokumentenkamera bereits im naturwissenschaftlichen Unterricht, wo die Lehrerin ein Versuchsobjekt (Lebewesen, Präparat, Material o.ä.) oder auch einen Versuchsverlauf auf die Klassenraumtafel projiziert (vgl. dieses Video aus einem Gymnasium). Für den Einsatz in anderen Fächern erschien das Gerät wegen der eher geringen Auflösung und dem Extra-Aufwand für Auf- und Abbau bislang wenig geeignet. Doch die Hersteller konnten ihre Geräte inzwischen deutlich optimieren, so dass sich ein Einsatz auch in anderen Themenfeldern lohnt.

Dokumentenkamera im EinsatzFür mein Experiment, eine Dokumentenkamera als Alternative für den Overheadprojektor einzusetzen, griff ich auf die Geräte zweier Hersteller zurück: Von Epson den “ELPDC11 – Visualiser für Schulen” (vgl. hier im Video von Anwendern) und vom Lernmedien-Hersteller Elmo den “ELMO M-01” (hier im Firmenvideo). Der Funktionsumfang der beiden Geräte ähnelt weitgehend. Während das Gerät von Epson eher für eine dauerhafte Installation ausgelegt ist, ist die Dokumentenkamera von Elmo für den mobilen Einsatz optimiert (zusammengeklappt kaum größer als eine Tafel Schokolade).

Dokumentenkamera3Im einfachsten Anwendungsfall wird die Kamera direkt an den Beamer angeschlossen und ist sofort einsatzfähig. Etwas aufwändiger in der Vorbereitung, aber auch mit mehr Funktionen ist die Kombination mit einem Laptop (Dokumentenkamera via USB an Laptop, von dort via VGA bzw. DVI an Beamer). Dies ist vor allem dann zu empfehlen, wenn sowohl gewöhnliche Laptop-Präsentationen als auch die Dokumentenkamera zum Einsatz kommen. Das stationäre Gerät bietet eine nochmals einfachere Handhabe und Bildqualität (wobei diese faktisch von der Auflösungskraft des Beamers begrenzt wird).

Mit der Dokumentenkamera werden die Möglichkeiten des Overheadprojektors nicht nur wiederbelebt sondern sogar optimiert und erweitert:

  • Dokumentenkamera2Der Dozent präsentiert kein virtuelles Bild, vielmehr wirkt das vergrößerte Abbild der originalen Dokumente besonders authentisch und unmittelbar. Die Auflösung der Kameras ist soweit fortgeschritten, dass neben flachen Medien (z.B. Papierdokumente, Bücher) auch kleinere Gegenstände (z.B. Arbeitsproben) in (Quasi-)Echtfarbe verwendet werden können.
  • Anders als beim Overheadprojektor wird das Bild aus der Vogelperspektive aufgenommen. Damit eröffnet sich für den Lehrenden die Chance, die Details am Objekt zusätzlich mit Fingerzeigen und Handbewegungen zu verdeutlichen – eindrucksvoller und deutlicher als es gegenwärtig mit dem Laserpointer praktiziert wird.
  • Dokumentenkamera4Beim Set aus Dokumentenkamera, Laptop und Beamer können analoge Dokumente mit virtuellen Inhalten verbunden werden, zum Beispiel:
    • … wenn man für wichtige Zwischenschritte oder am Ende der Präsentation eine digitale Momentaufnahme erstellt (beide getesteten Geräte ermöglichen Aufnahme und Weiterleitung per einmaligen Knopfdruck);
    • … indem man (analoge) Arbeitsblätter den vorbereiteten (digitalen) Musterlösungen gegenüberstellt
    • … oder wenn Kamera-Präsentation über ein virtuelles Klassenzimmer gleichzeitig an andere Orte übertragen wird.

Natürlich können die Geräte nicht alle Wünsche des Dozenten erfüllen. Das schnelle, situative Ein- und Ausschalten wie es beim Overhead-Projekt bekannt ist, kann in der Variante mit Beamer nur soweit nachgeahmt werden, wie dies letzterer selbst technisch zulässt. Auch sind der Aktionsradius und Bewegungsfreiheit mit dem Gerät im Seminarraum entsprechend der Kabellängen begrenzt. Das mobile Gerät von Elmo überrascht hier mit dem (möglichen) Verzicht auf das Stromkabel (Energiezufuhr über USB-Anbindung) und zeigt, dass die technische Entwicklung der Dokumentenkameras sicherlich noch nicht abgeschlossen ist.

Fazit: Dort wo analoge Medien wie Pinnwand oder Flipchart nicht mehr von allen Lernenden eingesehen werden können, schafft die Kombination von Dokumentenkamera und Beamer wieder mehr Interaktion, Nähe und Anschaulichkeit bei der Plenumspräsentation. Diese neuen Geräte sind nicht nur eine mediale Variante, sondern ermöglichen darüber hinaus neue didaktische Szenarien (z.B. bei den Aktionsformen Vortrag, Lehrgespräch, Brainstorming).


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Kommentare

Eine Antwort zu „Die Innovations-Drehscheibe (3): Overhead trifft Beamer“

  1. Avatar von Christopher Lier

    Ein sehr interessanter Beitrag. Wir nutzen an der Hochschule auch Dokumentenkameras von Elmo, welche den Unterricht wesentlicher einfacher und interessanter gestalten als die alten OHP. Auch ich kann Dokumentenkameras nur empfehlen.

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